Wie research-team die Vereinten Nationen (UN) bei der Evaluierung psychischer Belastungen unterstützt
Ao.Prof. Paul Jiménez und Samuel Strunk, MSc. auf einer Veranstaltung im Juli Bild 1.JPG

Ao.Univ.-Prof. Dr. Paul Jiménez und rt-Projektleiter Samuel Strunk hatten im Juli die Gelegenheit zu einem Webinar mit den „Staff Counsellors“ [Personalbetreuer] der Vereinten Nationen. Lesen Sie in diesem Artikel, welche Erkenntnisse und Tipps wir mit der UN geteilt haben.

Wie es zu der Zusammenarbeit kam

Vor über einem Jahr kam das New Yorker Büro der Vereinten Nationen auf Professor Paul Jiménez von der Universität Graz zu, um sich bezüglich des von ihm entwickelten und von research-team in der Praxis verwendeten Fragebogens OrgFit für die Erfassung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz zu erkundigen. Es gab einen ersten Austausch und der Fragebogen wurde als einer von nur dreien in die Liste der empfohlenen Verfahren aufgenommen.

Im Frühjahr gab es dann die Überlegung, ein Webinar für die MitarbeiterInnen in den weltweiten Standorten durchzuführen, um die Arbeit mit dem Instrument OrgFit detaillierter darzustellen und die umfangreiche Praxiserfahrung von research-team in diesem Bereich zu teilen.

Um 16 Uhr in Graz, um 10 Uhr in New York, um 21 Uhr in Bangkok...

Erste Herausforderung für das internationale Webinar war es, einen geeigneten Zeitpunkt zu finden, mit dem möglichst viele Büros und Missionen weltweit erreicht werden konnten. Als optimal erwies sich der spätere Nachmittag in Österreich. Zusätzlich wurde das Webinar aufgezeichnet, um es auch später noch der UN zur Verfügung zu stellen.

Den Beginn vor Zuhörern aus Bolivien, Sudan, den USA und vielen weiteren Staaten machte Professor Paul Jiménez. Er zeigte auf, wie aus Belastungen negative gesundheitliche Auswirkungen (Fehlbeanspruchungen) entstehen können und was gesunde Arbeitsplätze auszeichnet. Durch seine intensive Mitarbeit in der europäischen Richtliniengestaltung konnte er zudem einen Einblick in die Anforderungen an Evaluierungsprozesse und -werkzeuge geben.

Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund und aus der Praxis heraus entwickelte er den OrgFit-Fragebogen und führte viele wissenschaftliche Studien durch, die die Qualität des Instruments belegen. Aufgrund dieser veröffentlichten Artikel und Studien wurden die Vereinten Nationen auf das Verfahren aufmerksam, in weiterer Folge das Instrument OrgFit als empfehlenswertes Verfahren eingestuft und für die interne Nutzung freigegeben.

Die fünf Faktoren einer erfolgreichen Umsetzung

Im Anschluss an die wissenschaftlichen Darstellungen präsentierte rt-Projektleiter Samuel Strunk einige Projekte aus dem Praxisalltag inklusive Lessons learned aus unserer fast 10-jährigen Beratungstätigkeit zur Evaluierung psychischer Belastungen. Viele Erfolgskriterien liegen im Detail, dennoch lassen sich fünf Faktoren benennen, welche essentiell für eine erfolgreiche Umsetzung sind:

1. Vertraulichkeit gewährleisten

Die Beteiligungsrate und Authentizität (und damit die Aussagekraft der Ergebnisse) steht und fällt mit dem Vertrauen der MitarbeiterInnen in die Vertraulichkeit. Dieses Vertrauen erreichen wir durch persönliche Vorstellung, durch unsere strikten Datenschutzvorschriften sowie unseren langjährig erarbeiteten Ruf als zuverlässiger Dienstleister. 

2. Information und Kommunikation rund um das Projekt

Ebenfalls wichtig ist es, allen Beteiligten die Hintergründe und Ziele der Evaluierung psychischer Belastungen deutlich zu machen. Oft gilt es, Ängste und Befürchtungen zerstreuen zu können und Fragen zu klären. Dies erreichen wir durch Steuerkreistreffen mit allen Stakeholdern, Informationsveranstaltungen in der Organisation und direkte Ansprachemöglichkeiten per Email und Telefon.

3. Commitment der Führungsebene sicher stellen

Die Führungskräfte innerhalb der Organisation sind gleichzeitig Botschafter, Betroffene und Umsetzungsverantwortliche innerhalb eines Evaluierungsprojektes. Daher ist ihre Bedeutung für den Erfolg extrem hoch. Wir beziehen alle Führungskräfte frühzeitig in Form von Führungskräfte-Workshops ein, in denen wir zum einen Informieren und Fragen klären und zum anderen die Belastungen der Führungskräfte erfassen und gemeinsam Maßnahmen definieren.

4. Ganzheitliche Herangehensweise wählen

Die Evaluierung psychischer Belastungen darf nicht isoliert gesehen werden, sondern sollte immer alle relevanten Stakeholder einbeziehen. Wir versuchen im Steuerkreis die oberste Führungsebene, die Arbeitsmedizin, die Sicherheitsbeauftragten (SFK, FASI…) und natürlich den Betriebsrat zu versammeln, um einen umfassenden Blick auf die Organisation zu gewährleisten.

5. Projekte individualisieren

Kein Unternehmen ist wie das Andere. Genau deshalb sollten trotz aller Standardisierung in jedem Projekt die Besonderheiten der Organisation mitbedacht werden. Wir berücksichtigen dies schon im Steuerkreis: Welche Durchführungsvariante ist für das Unternehmen geeignet (Online-Befragung, Papier-Fragebögen, Workshops mit den MitarbeiterInnen) ? Braucht es besondere Sprachvarianten, um allen Beschäftigten eine Beteiligung zu ermöglichen? Lässt sich eine Befragung mit der internen MitarbeiterInnenbefragung verbinden?

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Samuel Strunk, MSc. auf einer Veranstaltung im Juli (Bildquelle: Alexandra Neubauer, Rubikon)

Fazit: Auch international ein wichtiges Thema

An den abschließenden Fragen war zu erkennen, dass die Erfassung psychischer Belastungen auch international ein extrem relevantes Thema ist. So wurde nach der Bedeutung passender Vergleichsgruppen (sehr wichtig!) und den Möglichkeiten für eine konsequente Maßnahmenkontrolle (von persönlich verfolgten Excellisten bis zu umfangreichen IT-Systemen möglich) gefragt.

Für uns war es schön zu sehen, dass wir mit unserer Projekterfahrung auch den Vereinten Nationen Impulse für einen effektiveren und erfolgreicheren Umgang mit psychischen Belastungen geben und so die wichtige Arbeit dieser Organisation etwas unterstützen konnten.