Nachhaltige Arbeitsplatzevaluierung psychischer Belastung - wir ziehen Bilanz!

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Der Parkplatz eines steirischen Industrieunternehmens an einem windigen Herbsttag im letzten Jahr – ich bin auf dem Rückweg von einem Workshop zu meinem Auto, als mich ein Herr im Mantel anspricht. „Frau Höfer, schön Sie zu treffen. Sie erinnern sich wahrscheinlich nicht…“. Stimmt, das Gesicht ist mir nur vage in Erinnerung. „…aber Sie haben doch damals die Arbeitsplatzevaluierung in meiner Abteilung gemacht.“

Jetzt muss ich doch nachfragen. Welche Abteilung genau? Er sagt es mir und wir stellen fest, dass das gemeinsame Projekt bereits 3 ½ Jahre zurückliegt. Doch der Herr, der damalige Abteilungsleiter, ist immer noch begeistert von der Art und Weise, mit der er einen Einblick in die Wünsche und Bedürfnisse seiner MitarbeiterInnen bekommen hat. Toll!

Später im Auto komme ich ins Nachdenken: Was ist es, das ein Projekt wie die Arbeitsplatzevaluierung psychischer Belastungen in einer schnelllebigen Branche auch nach einem so langen Zeitraum noch in Erinnerung bleiben lässt? Welche Faktoren ermöglichen es, dass aus einer gesetzlichen Verpflichtung ein echter Mehrwert wird?

Mehr als 250 erfolgreich absolvierte APB-Projekte liegen bereits hinter uns. In dieser losen Themenreihe möchten wir beleuchten, was wir gelernt haben. Wir reflektieren die Zusammenarbeit mit unseren KundInnen und filtern jene Elemente heraus, die für uns die wichtigsten Learnings und Erfolgsfaktoren waren :

Erfolgsfaktor 1: Die Planung
Erfolgsfaktor 2: Die Führungskräfte an Bord holen und die Mitarbeiter/innen informieren
Erfolgsfaktor 3: Die Ermittlung und Beurteilung der Belastungen

Erfolgsfaktor 4: Die Partizipation
Erfolgsfaktor 5: Die Festlegung der Maßnahmen
Erfolgsfaktor 6: Die Umsetzung
Erfolgsfaktor 7: Die Dokumentation
Erfolgsfaktor 8: Die Wirksamkeitsüberprüfung
Erfolgsfaktor 9: Capacity Building
Erfolgsfaktor 10: Die Integration in bestehende Prozesse

Erfolgsfaktor 1: Die Planung

Wie in jedem Projekt steht und fällt der Erfolg mit einer sorgfältigen Planung. Hier sollte ausreichend Zeit investiert werden, um das Unternehmen mit all seinen Besonderheiten zu verstehen. Für uns hat es sich besonders bei großen Betrieben (>400 MA) bewährt, mit einem Pilotprojekt zu starten.

In einem ersten Arbeitskreis sollten alle relevanten Stakeholder (z.B. interne Präventionsfachkräfte [Sicherheitsfachkraft, Arbeitsmedizin], Personalverantwortliche und Betriebsrat) einbezogen werden. Ein/e hauptzuständige/r Projektleiter/in fungiert als Schnittstelle und organisiert die Durchführung. Uns ist hierbei besonders wichtig, den Menschen im Unternehmen Wissen und Kompetenzen zu vermitteln und besonders Führungskräfte zu befähigen – das ist der nachhaltige Erfolgsfaktor!

Der Arbeitskreis sollte die Vorgehensweise sowie den Entscheidungsspielraum der einzelnen Bereiche festlegen und auch Eskalationsstufen definieren. Risiken und Potentiale sollten abgewägt werden und ein regelmäßiges Projektmonitoring gewährleistet sein.

Ganz wesentlich ist, dass das APB-Team den Nutzen der APB erkennt, hinter dem Projekt steht und im jeweiligen Fachbereich unterstützt!

Erfolgsfaktor 2: Die Führungskräfte an Bord holen und die Mitarbeiter/innen informieren

Die Informierung von MitarbeiterInnen und Führungskräften sollte schon in der Planungsphase berücksichtig werden.

Als besonders relevant hat sich die Sensibilisierung der Führungskräfte erwiesen. Aus zahlreichen Studien zu gesundem Führungsverhalten wissen wir, dass die Belastungen der Führungskräfte häufig in sehr direktem Zusammenhang mit denen ihrer MitarbeiterInnen stehen.
Deshalb kombinieren wir einen Evaluierungsworkshop und die Informationsvermittlung zum Projekt, um vier Ziele zu erreichen:

  • die Führungskräfte als Multiplikatoren für das Projekt gewinnen
  • die Belastungen der Führungskräfte frühzeitig erfassen und so einen Überblick gewinnen
  • den Prozess, den später auch die eigenen MitarbeiterInnen durchlaufen, erfahrbar machen
  • den Führungskräften ihre Verantwortung in der APB zu vermitteln (Maßnahmenumsetzung!)

Dazu eine Geschichte aus der Praxis: Ein Dienstleistungsunternehmen mit ca. 250 MitarbeiterInnen vor ein paar Jahren - Weil die einzelnen Abteilungen sehr unterschiedlich aufgebaut waren, beschlossen wir, mit Sensibilisierungsworkshops bei den Führungskräften zu starten.

Gleich im ersten Workshop ist eine Dame im mittleren Alter dem Projekt gegenüber sehr skeptisch. In der Informationsphase des Workshops stellt sie viele Fragen zur Sinnhaftigkeit und Umsetzbarkeit des Projektes. Ich nehme ihre Fragen  auf und versuche sie möglichst klar zu beantworten. Später leite ich dann in die eigentliche Evaluierung und die Maßnahmenableitung über. Zwei sehr produktive Stunden später kommt die Dame vom Anfang auf mich zu und ist begeistert vom Prozess.

Sie können es sich schon denken: Bei der späteren MitarbeiterInnenbefragung hatten wir in der Abteilung dieser Dame enorm hohe Rücklaufquoten und eine sehr rege Beteiligung bei allen Workshops!

Ich denke, das obige Beispiel zeigt, welchen Sinn die frühzeitige Sensibilisierung von Führungskräften für das Projekt machen kann. Fragen und Bedenken der Führungskräfte sind meist auch Anliegen ihrer MitarbeiterInnen, sodass Zweifel hier direkt ausgeräumt werden können.

Von Anfang an alles richtig machen

Um die beiden Punkte noch einmal zusammenzufassen: eine genaue Vorbereitung, die Einbeziehung der richtigen Personen an den richtigen Stellen und eine klare Kommunikation in Richtung der MitarbeiterInnen erleichtern den Start in eine erfolgreiche Arbeitsplatzevaluierung psychischer Belastungen ungemein und machen sich auch noch Monate (manchmal Jahre) später bezahlt.

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